Renee Cloutier-Voss war nur wenige Tage alt, als ihre Mutter eine Delle in ihrem rechten Bein bemerkte. Das war der erste Hinweis auf das, was sich dann als angeborene Fehlbildung herausstellte – und mit einer Reihe von schweren Entscheidungen verbunden war.

„Bei der Geburt von Renee wussten wir noch nicht, dass ihre Beine unterschiedlich lang waren“, sagt ihre Mutter, Erica Voss. „Sie war gerade 3 Tage aus dem Krankenhaus. Als ich sie anzog, sah ich eine kleine Delle in ihrem Bein.“

„Ich wurde mit fibularer Hemimelie geboren, das heißt also, mir fehlt mein Wadenknochen. Mein rechtes Bein war zu kurz, fügt Renee hinzu.

Fibulare Hemimelie ist ein Geburtsdefekt, der auf verschiedene Weise behandelt werden kann, je nach Patient und Schwere der Erkrankung. Renees Eltern fuhren das erste Jahr mit ihr zu verschiedenen Ärzten, um sich nach Behandlungsoptionen zu erkundigen.

„Sie waren vor die Entscheidung gestellt, das Bein entweder amputieren zu lassen“, sagt Renee, „oder den mit Operationen und möglichen Infektionen – die ich auch hatte –  verbundenen Verlängerungsprozess und das Risiko in Kauf zu nehmen, dass ich nie wie andere würde gehen können.“

Erica erinnert sich daran, dass die Ärzte, von denen sie sich beraten ließen, nicht einer Meinung darüber waren, wie mit der fibularen Hemimelie ihrer Tochter umzugehen sei.

„Es stand 50:50“, sagt Erica. „Die eine Hälfte war für das Amputieren, es wäre einfacher für sie, weil sie nicht viele andere Möglichkeiten hätte und Ihre Beine immer deformiert bleiben würden. Aber die anderen sagten dann: „es kann sich mit der Zeit eine Lösung finden, um Ihr Bein wiederherzustellen“.

Renee unterzog sich vielen Operationen und wurde bei vielen Ärzten vorstellig, die versuchten, ihr Bein zu verlängern oder das Wachstum eines Wadenbeins anzuregen. „Ich war bei vielen Ärzten und wenn man dann beim richtigen Arzt gelandet ist, merkt man das – man hat gleich einen Bezug zu ihm.“ Dr. Shawn Standard, Leiter der pädiatrischen Orthopädie am International Center for Limb Lengthening in Baltimore, erwies sich als der richtige Arzt für Renee.

„Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten, die bei mir vorstellig werden, kann der Knochen aufgebaut werden“, sagt Dr. Standard. „Vorher wurde bei über 90 % amputiert. Nun werden bei über 90 % Knochenaufbaubehandlungen durchgeführt.“

Obwohl sie bereits mit einem Verfahren mit externen Fixierungen rechneten, warteten Erica und Renee gespannt auf einen Anruf von Dr. Standard, um mehr über das neue System zu erfahren. Erica erinnert sich: „Er rief an und erklärte uns das neue Verfahren, von dem er dachte, dass es bei Renee funktionieren könnte. Es handelt sich dabei um eine interne Stange, die in die Mitte des Knochens eingeführt wird. Keine externen Festhalter, keine Behinderung, keine Infektionen an der Stiftstelle, die man reinigen muss.“

Dr. Standard sagt: „Für uns sind die Gespräche mit Patienten, die erst ein externes und anschließend ein internes System haben, sehr interessant. Sie sind alle der einheitlichen Meinung, dass das interne System auf wunderbare Weise anders und weniger schmerzhaft ist.“

Erica meint: „Ich fragte Dr. Standard, ob er dieses Verfahren auch durchführen würde, wenn das seine Tochter wäre. Und er sagte: ‚Ja‘.“

Das sagt Renee über die Zeit ihrer Beinverlängerung: „Die Operation und der Heilungsprozess sind eine harte Zeit, aber ich denke, mit der richtigen Haltung und der entsprechenden Willenskraft und Einstellung – ja die richtige Einstellung ist wohl eine gute Basis – Ich denke, damit kann man alles schaffen.“

Dr. Standard war beeindruckt: „Sie hatte eine tolle Unterstützung durch ihre Familie und sie selbst war sehr engagiert… sie wusste genau, worauf sie sich einließ und war bereit für die Physiotherapie und alles andere, was damit einherging.“

Doch er gibt zu, dass das alles hart erarbeitet ist: „Es ist immer noch eine Beinverlängerung und man muss sich diesem Prozess voll und ganz verschreiben. Es ist ein Abenteuer, dem man sich ganz und gar widmen muss.“

Renee erinnert sich: „Ich war für etwa ein Jahr auf Krücken angewiesen, konnte nicht gehen oder mit meinen Brüdern spielen. Nun stehe ich jeden Tag auf und kann gehen, das nutze ich voll und ganz aus und mache das beste aus jedem einzelnen Tag. Andere fragen mich die ganze Zeit, ob ich mir Sport ansehe. Dann schau ich sie an und sage – Nein, ich schaue mir Sport nicht an, ich mache Sport. Warum soll ich mir Sport ansehen, wenn ich ihn selbst betreiben kann?“